24. September 2021

BLIND DATE MIT DER NATUR

Die Nacht zum Tage machen, das ist nicht schwer. Reicht es doch, alle zur Verfügung stehenden Lichtquellen anzuschalten. Schon ist es taghell und wir können auch in der Nacht das “Tagwerk” fortführen. Natur ausgetrickst.

Doch wie ist es umgekehrt? Wann wird der Tag zur Nacht? Ach ja, Rollo runter und wieder rein ins Bett, um die unangenehmen Nachwirkungen der durchzechten Nacht im Tagesschlaf ausklingen zu lassen.

Oder doch ganz anders: Raus aus den Federn und ab in den Wald zum Survival-Seminar. Kurze Anweisung des Seminarleiters für die Einstiegsübung: Alle Teilnehmer sammeln sich am Basislagerplatz. Schuhe und Socken ausziehen. Mitgebrachte Augenbinde aufsetzen. Beim ersten Trommelschlag geht´s los. Barfuß und blind Richtung Trommel. Das Ziel der Übung ist erreicht, wenn der Trommelschlag direkt neben deinem Ohr erklingt.

Puh, echt jetzt? Ich schaffe es vielleicht des nächtens ohne Licht auf´s stille Örtchen. Aber blind und noch dazu barfuß durch den unbekannten Wald über unsichtbare Wurzeln und Brombeerhecken, das ist ja wohl eine andere Kategorie.

Doch da muss ich jetzt wohl durch. Habe ich mich ja freiwillig zu diesem seltsamen Seminar angemeldet. Wird schon seinen tieferen Grund haben. Nun gut, bin ja keine Spielverderberin und liebe Herausforderungen. Schuhe aus, ein schneller Rundumscan, damit ich zumindest eine ungefähre Ahnung von den örtlichen Gegebenheiten erhasche, Binde rauf und…Dunkelheit! Das beruhigende, ich wusste, dass ich nicht alleine bin. Trommelschlag! Und los geht´s. Richtung orten, ausrichten, Abmarsch. Step by step. Achtsam, im Fuchsgang . (Kennt ihr sicher noch aus euren Pfadfinderzeiten: Beim Gehen zuerst die Zehen aufsetzen, dann die Fußsohle von der Zehenspitze bis zur Ferse langsam am Boden abrollen. Erst wenn die ganze Fußsohle den Boden berührt, das  Gewicht auf den ganzen Fuß verlagern. Diese Gangart eignet sich hervorragend zum leisen Heranpirschen oder zum annähernd schmerzfreien Barfußlaufen.)

Ab dem ersten Trommelschlag bin ich im Bewusstseinszustand der Awareness. Im sogenannten Alpha-Zustand (Frequenzbereich von 8-13 Hz) ist meine Aufmerksamkeit erhöht, ich bin ganz klar und frei von Gedanken. Im Flow, gelassen, ruhig, präsent. Es ist der Zustand, in dem alles rund läuft, nichts hakt, nichts stagniert.

Der Klang einer Trommel ist für mich wie der Herzschlag unserer Mutter Erde. Er suggeriert mir Geborgenheit, Schutz, Lebendigkeit und absolutes Urvertrauen. Ich weiß, wenn ich mich ihm hingebe, kann mir nichts passieren. Ich lasse mich führen und folge ohne Denken den herzerwärmenden Vibrationen. Jeder Schritt ist bedacht und mit undendlicher Liebe gesetzt. Kein Kieselstein piekst mich, keine Wurzel bringt mich zu Fall. Keine Brombeerhecke zeigt mir ihre Stacheln und versperrt mir bösartig den Weg. Natürlich ist alles für mich spürbar, doch bin ich mir sicher, dass mir alles mich umgebende gut gesinnt ist und mich sanft ein Stückchen weiter zum Ziel geleitet.

Doch plötzlich übernehmen meine Gedanken wieder das Kommando: Wo bin ich? Wie weit ist es noch? Bin ich schon noch richtig? Wo sind die anderen Blinden? Bin ich bereits die Letzte? Autsch! Scheiß Bucheckerl, die tun ganz schön weh. Poing! Wo kommt der harte Baum auf einmal her. Ja, genau das passiert, wenn der Verstand das Ruder übernimmt. Der führt dich vielleicht auch ans Ziel, aber du brauchst dann auch einen Arzt, der deine Blessuren behandelt. Kurz kommt Panik und Verzweiflung auf. Ich weiß einfach nicht mehr weiter, würde am liebsten die Binde runternhemen und aufgeben. Ich schaffe das niemals. In diesem Stadium hilft nur meditieren, beten oder eine zentrierende WYDA- Übung, die mich wieder ins Vertrauen und in die Intuition, ins Bauchgefühl bringt. Die mich aus dem Ego heraus führt und wieder rein in die Verbindung mit mir und der Umwelt. Kaum wieder angebunden geht´s wie von Zauberhand geführt weiter. Ohne Zweifel, ohne Tränen, ohne Grenzen!

Die Trommel tanzt mich, bewegt meine Hüften, als wäre sie mein Tanzpartner und führt mich mit unglaublich empathischen Taktgefühl bis zum Quell der Musik.

Der Blind Walk in der Natur war ein persönliches Blind Date mit der Natur in mir. Ein Blind Date der Emotionen, das mir die Augen für unser unendliches Potential geöffnet hat.

Danke für diese unvergessliche Naturerfahrung!

Eure Sandra

Neueste Beiträge

MEINE REISE NACH KOLCHIS

Giftpflanzen sind Geschenke des Schöpfers an uns. Sie sind große Lehrmeister, die uns in Awareness und Respekt schulen. Ich finde, wir sollten uns jeder Pflanze, auch den vermeintlich ungiftigen, mit größter Sorgfalt und Achtsamkeit nähern, denn nur so eröffnen sie uns ihr innewohnendes Königreich und gewähren uns einen Blick auf das Goldene Vlies ihrer und letztendlich unserer eigenen Persönlichkeit.

FREUDENTRÄNEN DES HIMMELS

Sobald mein wintermüdes Augenpaar das frischleuchtende Blaulila des ersten wagemutigen Gewöhnlichen Leberblümchens (Hepatica nobilis) erhascht, ist sie ungebremst da  - die SEHNSUCHT. Pater Anselm Grün schwelgt: "In der SEHNSUCHT wird die Seele weit. Sie zeigt uns,...

POTPOURRI UND EINTÖPFE

Ich liebe alles, was einfach ist. Deshalb liebe ich EINTÖPFE über alles. Auf meinem imaginären Speiseplan steht mindestens einmal die Woche ein Einfach-alles-in-einen-Topf-Gericht. Von dieser archaisch-anmutenden, doch in meinen Augen keineswegs obsoleten Festspeise...

AUS DEM TAGEBUCH EINES HASELSTRAUCHES

AUS DEM TAGEBUCH EINES HASELSTRAUCHES  (Corylus avellana) "Das war wiedereinmal ein verrückter Tag, aber ich erzähle von vorne: Eigentlich sind meine Nächte immer sehr ruhig und erholsam, ohne besondere Vorkommnisse oder aufregende Ereignisse. Doch die heutige Nacht...

Rezepte & Küche

Keine Ergebnisse gefunden

Die angefragte Seite konnte nicht gefunden werden. Verfeinern Sie Ihre Suche oder verwenden Sie die Navigation oben, um den Beitrag zu finden.

0 Kommentare

DIE INNEREN WERTE UNSERER HEILPFLANZEN

Alle Achtung, liebe Leser! In diesem Beitrag geht es um´s Eingemachte. Dies wird kein gemütliches Blumen pflücken, eher ein akribisches Blumen zer-pflücken. Eine florale Charakterstudie, ein detailverliebtes Kennenlernen der innewohnenden, meß- und greifbaren Schätze...

mehr lesen
VISIONSSUCHE MIT HUMOR

VISIONSSUCHE MIT HUMOR

oder WINDIG MIT AUSSICHT AUF BOHNENEINTOPF Wo sehen Sie sich in 5 Jahren? Immer schon war mir diese brenzligverfängliche Entblößungsfrage in Bewerbungsgesprächen und Mitarbeiterinterviews zuwider. So einfallslos wie berechnend. So konstruiert wie unkreativ. So an der...

mehr lesen
WEISS-ROT-SCHWARZ

WEISS-ROT-SCHWARZ

WEISS wie Schnee - ROT wie Blut - SCHWARZ wie Ebenholz oder Warum der STORCH die Kinder auf die Welt bringt Die Farben WEISS, ROT und SCHWARZ spiegeln die pure WEIBLICHKEIT wider. So wie die Märchenfigur des Schneewittchens vereint der Storch in seiner farblichen...

mehr lesen